Pfeifergasse 9
Sanierung eines mittelalterlichen Handwerkerhauses mit Vor- und Rückgebäude
Rohrkolben, ein Multitalent
Mit der letzten Stadtumwallung entstanden im 15. Jahrhundert in der südlichen Nürnberger Altstadt kleine, fachwerksichtige Handwerkerhäuser mit begrünten Innenhöfen. Das Anwesen Pfeifergasse 9 stammt im Kern aus dieser Zeit. Bauveränderungen und eine asymmetrische Aufstockung des Vordergebäudes bewirkten Bauwerksverformungen und gravierende Bauschäden, was schließlich zu Verfall und Leerstand führte.
Vor allem die sehr geringen Raumgrößen im Zusammenspiel mit dünnen Außenwänden kollidierten mit den in der gängigen Baupraxis notwendigen Wandstärken für eine energetische Gebäudeertüchtigung. Dies und das Fehlen von technischer Aussstattung ließen keine wirtschaftliche Sanierung für das Anwesen erwarten.
Diese ernorme Herausforderung konnte im Rahmen eines Forschungsprojektes der Deutschen Bundesstiftung Denkmalschutz mit einem erstmals eingesetzten Plattenwerkstoff aus dem nachwachsenden Rohstoff Rohrkolben (lat. Typha) angenommen werden. Typha besitzt Pflanzeneigenschaften, mit denen ein Baustoff entwickelt wurde, der über Trag- und Dämmeigenschaften in einem Material verfügt. Das mineralisch gebundene biegesteife Typha Board wurde als Gefachefüllung und als Innendämmung eingesetzt und ermöglichte nicht nur die verformte Fachwerkkonstruktion zu stabilisieren, sondern auch mit geringen Außenwandstärken von 20 cm inclusive Wandheizung und Innenputz die Energieeinsparverordnung 2009 zu erfüllen. Die historische Fachwerkwand aus Holz, Lehm und Stroh wurde materialverträglich ergänzt ohne die Raumgrößen zu reduzieren. Die Typhaplatte wurde auch als Innendämmung an Massivmauerwerk und an Wänden mit Brandschutzanforderungen eingesetzt.
Das Multitalent Rohrkolben zeigte neue Wege in der Sanierungspraxis auf. Dies ist die Rückbesinnung auf einfaches Bauen mit einem diffusionsoffenen Naturbaustoff, der in den Stoffkreislauf rückführbar ist und den Erhalt traditioneller Fassadengestaltungen ermöglicht.